Die Welt, 30.06.2013 / Foto: Mikkel Grabowski/Gallery Stock/l
Jeder dritte Antrag auf Pflegebeihilfe scheitert – auch weil das Begutachtungssystem den Bedürftigen nicht gerecht wird. Experten haben ein neues Modell entwickelt, das den Demenzkranken zugute käme.
Von Marion Meyer-Radtke
Walter Kühn (*Name geändert) ist ein freundlicher alter Herr, der gerne fernsieht und mindestens genauso gerne vom Krieg erzählt. Er hat Rheuma, kommt nur noch mit dem Rollator durch die Wohnung und trägt Windeln, weil er weder seine Blase noch den Darm kontrollieren kann.
Trotzdem macht er einen sehr gepflegten Eindruck. Dafür sorgt seine Frau. Sie hilft ihm aus dem Bett und aus dem Sessel, wenn er aufstehen will. Sie wechselt ihm die Windeln und wäscht ihn jedes Mal, wenn die Vorlagen doch nicht gereicht haben. Sie schneidet ihm tagsüber das Essen auf dem Teller zurecht und ist nachts für ihn da, wenn seine Demenz ihn wach hält. Ein 24-Stunden-Job.
Fünf Jahre lang bekamen die Kühns von ihrer Kasse Pflegegeld nach Pflegestufe eins. Als die Windeln nötig wurden und ihr Mann zunehmend die Orientierung verlor, fand Frau Kühn, es sei an der Zeit, die höhere Pflegestufe zwei zu beantragen.
Dafür muss man nachweisen, dass der Betroffene mindestens drei Stunden täglich Hilfe braucht, wovon mindestens zwei Stunden allein auf die Grundpflege entfallen müssen – also aufs Waschen, Anziehen, Essen, Trinken, Aufstehen oder Bewegen.
Streitpunkt. 15 Minuten Pflegebedarf
Der Gutachter vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) kam, sah und schätzte, und zwei Wochen später war der Bescheid da: Antrag abgelehnt. Zur nächsten Stufe fehlten nach Meinung des Gutachters 15 Minuten Pflegebedarf.
So wie den Kühns ergeht es jedes Jahr Hunderttausenden Menschen in Deutschland. Irgendwann gesteht man sich ein: Ehemann oder Ehefrau, Mutter oder Vater, Oma oder Opa können nicht mehr alleine für sich sorgen. Bei der Pflegekasse stellt man dann einen Antrag auf Feststellung der Pflegebedürftigkeit.
Kurz danach kommt der MDK-Gutachter – und dann heißt es hoffen. Zu fast 834.000 Erstbegutachtungen ist der MDK im vergangenen Jahr geschickt worden, also zu Menschen, die sich selbst als hilfsbedürftig einschätzen oder deren Angehörige das so sehen, die aber noch keine Pflegeleistungen von ihrer Kasse beziehen.
In jedem dritten Fall lautete das Urteil: nicht pflegebedürftig. Bei den rund 643.000 Wiederholungs- oder Höherstufungsbegutachtungen – worum es auch bei den Kühns ging – fiel die Quote für die Betroffenen noch schlechter aus: Nur in 46 Prozent der Fälle befanden die Gutachter, dass der Pflegebedarf der nächst höheren Pflegestufe entsprach.
Quelle: Die Welt
Wenn sogar der MDK das neue System „für praktikabel“ befindet, darf man sich wohl Hoffnungen machen.
Hello,
here the contact to the Provider we are working with: http://www.eaweb.de
Thanks for your post.
MediLex